Der März beginnt mit einem echten Topkampf im Halbweltergewicht, wenn Titelträger Devon Alexander und Juan Urango aufeinander treffen. Auch Doppelweltmeister im Superfliegen Vic Darchinyan ist am Samstag im Einsatz. Des Weiteren versuchen drei Talente gegen mehr und minder gefährliche Gegner ihre lupenreine Weste intakt zu halten.
Viele junge Boxer, die gerade ihren ersten Weltmeistertitel gewonnen haben, gönnen sich erst einmal eine leichte Titelverteidigung um nicht Gefahr zu laufen ihn direkt wieder abgeben zu müssen. Nicht so Devon Alexander. Der 23-jährige US-Amerikaner macht sich frisch nach dem Gewinn des WBC-Gürtels im Halbweltergewicht bereits an die Titel zu vereinigen. Am Samstagabend steht ihm IBF-Weltmeister Juan Urango im Ring gegenüber.
Devon Alexander „The Great“ wechselte nach einer guten Amateurlaufbahn, die er den meisten Angaben zufolge mit 300 Siegen und 10 Niederlagen abschloss, 2004 mit 17 Jahren ins Profilager und feierte dort seitdem in 19 Kämpfen ebenso viele Siege. Der größte davon kam letzten August, als er Ex-Weltmeister Junior Witter schlug, der kurz zuvor nur denkbar knapp gegen Timothy Bradley, den derzeit wohl besten Halbweltergewichtler der Welt, verloren hatte. Witter, nach 8 Runden klar nach Punkten hinten, kam nicht zur neunten Runde aus seiner Ecke, eine Handverletzung anführend, und verlor so erstmals in seiner langen Karriere vorzeitig. Für Alexander war der Witter-Kampf ein Riesenschritt in seiner Profikarriere. Vor dem Kampf hielten viele Experten Alexander noch für zu unerfahren für einen Veteranen wie Junior Witter, doch Alexander überzeugte in dem Kampf und gehört nun schon zu der absoluten Spitzenklasse in der wohl tiefsten und talentreichsten Gewichtsklasse derzeit. Der Titelvereinigungskampf mit Juan Urango bedeutet für den talentierten Mann aus Saint Louis einen weiteren wichtigen Schritt.
Urango ist der wohl physisch stärkste Boxer im Halbweltergewicht und ist wie ein 1,70m großer Schrank gebaut. Und seine Physis hat ihn selten im Stich gelassen. In 25 Profikämpfen unterlag er lediglich Superstar Ricky Hatton und zuletzt dem ungeschlagenen Weltergewichtsweltmeister Andre Berto, als Urango eine Gewichtsklasse hoch ging. Doch selbst gegen den stets physisch agierenden Hatton und den von Natur aus schwereren Berto war Urango der körperlich imposantere Boxer, der beide Gegner dazu zwang einen risikoarmen Kampfstil von außen zu wählen. Zuletzt verteidigte Urango, selbst ein exzellenter Puncher, seinen IBF-Gürtel gegen Randall Bailey, wahrscheinlich der schlagstärkste Halbweltergewichtler der Welt, und stoppte ihn in elf Runden. In Runde 6 musste Eisenkinn Urango zwar nach einem starken Treffer zum ersten Mal in seiner Karriere zu Boden, doch der robuste Kolumbianer kam später zurück, um Bailey drei Mal zu Boden zu schicken und schließlich zu stoppen.
Urango wirkt wie eine menschliche Zerstörungsmaschine, unglaublich hart in Nehmen und mit brutaler Gewalt in seinen Angriffen. Doch wie eine Maschine wirkt er auch etwas eindimensional und schwerfällig. Jedes Mal, wenn seine Gegner ihn klassisch geboxt haben und Schnelligkeit und Beweglichkeit gegen ihn ausgespielt haben, erschien Juan „Iron Twin“ Urango teilweise beinahe plump und unbeholfen. Devon Alexander hat das Können, um Urango klassisch auszuboxen. Er ist blitzschnell, technisch stark und bewegt sich gut. Vom Stil her erinnert er mich ein wenig an Andre Berto, der zuletzt Urango deutlich auspunkten konnte, mit dem einzigen Unterschied, dass Alexander wohl noch nicht ganz auf Bertos Niveau ist, und, dass er ebenso wie Urango, aber anders als Berto, als Rechtsausleger boxt. Normalerweise sollte Alexander, der auch bei den Buchmachern recht deutlich favorisiert wird, in der Lage sein Urangos Schwerfälligkeit auszunutzen und seine eigene Spritzigkeit auszuspielen um einen risikoarmen Kampf mit einem klaren Punktsieg abzuschließen. Jedoch ließ sich aus mehreren Interviews mit Devon Alexander aus den letzten Wochen heraushören, dass er plane einen zuschauerfreundlichen Kampf abzuliefern. Das würde bedeuten öfter das offene Gefecht zu suchen als es eigentlich in seinem Interesse wäre. Obwohl Alexander etwas unterschätzte Schlagkraft besitzt, wird er kaum dazu in der Lage sein bei Urango mit seinen Schlägen Eindruck zu hinterlassen ohne dabei selbst schwere Treffer einzustecken. Außerdem arbeitet der Kolumbianer exzellent zum Körper, wenn er in der Halbdistanz die Chance dazu bekommt und könnte so Alexander die Luft für die späteren Runden nehmen.
Im Endeffekt hat Devon Alexander es selbst in der Hand. Spielt er seine Vorteile gut aus, könnte es zu einem einseitigen, etwas langweiligen Punktsieg für ihn kommen. Versucht er aber gegen den unbequemen Urango zu beeindrucken, wird er wohl schnell herausfinden, dass nicht ganz umsonst niemand gegen ihn gewonnen hat, der die Schlacht im Ring auf Urangos Terrain ausgefochten hat. Ich denke, dass Alexander sich ab und zu der Versuchung hingeben wird, und zu aggressiv für sein eigenes Wohl agieren wird, aber durch sein größeres Talent und seine überlegene Schnelligkeit doch die Mehrheit der Runden für sich entscheiden wird, um eine wohlverdiente Punktentscheidung zu gewinnen.
Vic Darchinyan – Rodrigo Guerrero
Vic Darchinyan ist wohl der größte Star im Boxsport unterhalb des Federgewichts. Seine immense Schlagkraft und sein unorthodoxer, aber stets unterhaltsamer, aggressiver Stil sorgen stets für interessante Kämpfe. Am Samstagabend verteidigt der Doppelweltmeister im Superfliegengewicht seine WBC- und WBA-Titel gegen den wenig bekannten Rodrigo Guerrero. Ursprünglich war es geplant, dass der Armenier auf der Undercard von Super-Six-Kampf Abraham-Dirrell boxt, doch da dieser bekanntlich verschoben wurde, stieg Darchinyan zum Hauptkämpfer der Veranstaltung in Kalifornien auf.
Nach seinem missglückten Ausflug ins Bantamgewicht verteidigte Darchinyan letzten Dezember zwei seiner drei Titel, die er vorher besaß, erfolgreich gegen Tomas Rojas in zwei Runden. War Rojas schon ein eher schwacher Gegner, nachdem Darchinyan zuvor einige Hochkaräter in Folge geboxt hatte, ist Rodrigo Guerrero wohl noch einmal ein Schritt nach hinten. Darchinyan pocht weiterhin auf einen Rückkampf mit Nonito Donaire, der ihn in fünf Runden ausknockte, und ihm seine erste Niederlage zufügte. Doch auch abseits von Donaire würden ihm durchaus bessere Gegner als Guerrero zur Verfügung stehen.
Der Mexikaner hat zwar von 15 Profikämpfen nur einen verloren, stand jedoch mit Ausnahme von zwei soliden Gegnern ausschließlich mit unterdurchschnittlichen Boxern im Ring. „Gato“ Guerrero boxt aus der Rechtsauslage, wechselt aber oft im Kampf in die Normalauslage. Boxtechnisch ist er nicht der Beschlagenste; normalerweise kommt er um zu kämpfen.
Und das sollte Darchinyan in die Karten spielen. Wenn man nicht gerade über ein außergewöhnliches Kinn und sehr gute Schlagkraft verfügt, ist es eine schlechte Idee ein offenes Gefecht mit dem Armenier zu wählen, da es sonst meistens damit endet, dass man sich schnell am Boden wieder findet. So sollte es Guerrero auch am Samstagabend ergehen.
Darchinyan ist viel zu schlagstark, und unorthodox und schnell genug um immer wieder Volltreffer zu landen. Guerrero scheint einfach nicht die Klasse zu besitzen um Darchinyan daran zu hindern oder um ihm wirklich etwas entgegensetzen zu können. Da er selber kein all zu schlechter Puncher ist, besitzt er sicherlich die Chance auf einen „Lucky Punch“, aber es wäre schon eine riesige Überraschung würde Darchinyan den Ring nicht als Sieger verlassen. Vermutlich beendet er das ungleiche Gefecht innerhalb der ersten Kampfeshälfte.
Martin Honorio – Wilton Hilario
Martin Honorio boxte sich im letzen November, zwei Jahre nachdem er im Federgewichtstitelkampf Robert Guerrero in einer Runde unterlag, durch einen starken Überraschungserfolg gegen den als viel versprechendes Talent gehandelten John Molina zurück auf die Boxlandkarte, inzwischen im Leichtgewicht. Nun trifft er auf Wilton Hilario, gleich das nächste noch ungeschlagene Talent, und könnte sich durch einen weiteren Sieg für einen erneuten Titelkampf empfehlen.
Honorio wurden, wie vielen mexikanischen Boxern, von Anfang seiner Profilaufbahn an schwere Gegner vorgesetzt, und, obwohl er auch die eine oder andere Niederlage erlitt, stoppte er 2002 unter anderem den derzeitigen Federgewichtsweltmeister Cristobal Cruz in einer Runde. Auch fügte er 2005 dem späteren Federgewichtsweltmeister Steven Luevano dessen erste Niederlage zu, und schlug ein Jahr später Rogers Mtagwa, der zuletzt zwei Mal in Folge um eine Weltmeisterschaft boxte.
Solche Erfahrungen auf Topniveau fehlen dem 26-jährigen Dominikaner Wilton Hilario eindeutig. In seinen 13 Kämpfen (12 Siege, 1 Unentschieden) stand ihm noch niemand gegenüber, der auch nur annähernd die Klasse von Honorio besaß. Seine letzten beiden Gegner, Allen Litzau und Leon Bobo, waren akzeptable Aufbaugegner, aber auch nicht mehr.
Hilario scheint dem wenigen verfügbaren Videomaterial nach ein etwas untypischer dominikanischer Boxer zu sein, der statt mit feiner Technik eher mit Schlagkraft und Aggressivität glänzt. Seine ersten sieben Gegner konnte er auch alle vorzeitig stoppen, doch als die Qualität der Gegner etwas stieg, konnte er in sechs Kämpfen nur noch zwei KOs erzielen, wobei der Abbruch gegen Allen Litzau auch noch etwas frühzeitig erschien. Martin Honorio ist es gewohnt mit schlagstarken Gegnern im Ring zu stehen. Nicht zuletzt John Molina war dafür bekannt sehr aggressiv und hart schlagend zu sein. Doch Honorio, der zuvor oftmals für Schlachten bekannt war, zeigte gegen Molina seine boxerische Klasse und ließ einen überfordert wirkenden Molina aus der Distanz weder seine Aggressivität noch seine Reichweitenvorteile ausspielen.
Auch Hilario besitzt deutlich längere Arme als Honorio, der wohl immer noch problemlos das Superfederlimit bringen könnte, wollte er seinen NABO-Titel, den er gegen Molina gewann, nicht verteidigen. Diese gilt es für Hilario einzusetzen, um nicht ähnlich ratlos wie Molina zu wirken, wenn der technisch wohl feinere Honorio ihm boxerisch statt kämpferisch begegnet. Der Dominikaner muss versuchen mit einem starken Jab Druck auf Honorio auszuüben, da er sonst Gefahr läuft gegen den cleveren Mexikaner immer nur zu reagieren statt zu agieren. Gelingt ihm das, wird es ein offener, spannender Kampf, bei dem Hilario leichte Vorteile, vor allem aufgrund seiner größeren Schlagkraft, haben sollte. Gelingt es ihm nicht, und entscheidet Honorio sich tatsächlich dafür boxerische Mittel zu benutzen und kann diese etablieren, könnte Honorio gleich dem zweiten Gegner in Folge den lupenreinen Kampfrekord beflecken. Und das kann ich mir gut vorstellen. Zwar schlägt er im Leichtgewicht wohl nicht mehr hart genug, um Hilario zu beeindrucken, doch ich denke, dass seine größere Erfahrung, bessere Technik und höhere Ringintelligenz ihm zu einem weiteren starken Erfolg führen werden, wenn auch vielleicht nicht ganz so deutlich wie zuletzt gegen John Molina, der im Übrigen auf der Undercard boxen wird.
Saul Alvarez gilt als das wohl größte derzeitige Talent im Weltergewicht. Mit 19 Jahren hat er bereits 31 Profikämpfe bestritten, von denen er 30 gewann während er sich in einem am Anfang seiner Karriere mit einem Unentschieden begnügen musste. In seiner ersten Titelverteidigung des NABF-Titels, der ein Sprungbrett zu einem WM-Titelkampf ist, trifft er auf den Amerikaner Brian Camechis.
Camechis, obwohl 12 Jahre älter als Alvarez, hat bisher nur 21 Profikämpfe bestritten. Als Spätstarter mit knapp 26 Jahren hat er ausschließlich unbekannte Leute als Gegner gehabt. Die einzige Ausnahme bildet der Kanadier Antonin Decarie, der demnächst um einen Interimstitel boxen darf, und gegen den Camechis deutlich nach Punkten verlor.
Für Alvarez ist es nur ein Kampf, um im Rhythmus zu bleiben, ist doch geplant, dass er am ersten Mai in einem der Vorkämpfe zu Mosley-Mayweather zu sehen sein wird. Der Mexikaner zeigte in seinen Kämpfen bisher Reife weit über sein Alter hinaus. Er ist technisch versiert, besitzt ordentliche Schlagkraft und ist insgesamt ein sehr ausgeglichener Boxer. Jemand mit Camechis Kampfrekord dürfte Alvarez vor keine Herausforderung stellen. Der Kampf ist auf 12 Runden angesetzt, aber mich würde es stark wundern, wenn er auch nur annähernd so lange geht. Saul Alvarez sollte innerhalb von acht Runden gewinnen können.
Leonardo Tappavigna – Fernando Angulo
Im Vorkampf zu Darchinyan-Guerrero trifft Australiens größtes Talent, Leonardo Tappavigna, auf den kolumbianischen Gatekeeper Fernando Angulo. Offiziell geht es um den Leichtgewichtstitel der weniger angesehenen IBO, doch vor allem nähert sich der Sieger einer Chance auf größere Kämpfe im Leichtgewicht.
Zappavigna ist in 22 Kämpfen noch ungeschlagen, während Angulo seine letzten beiden Kämpfe verlor, und in seinem bislang größten Kampf 2006 von Weltmeister Juan Diaz deutlich ausgepunktet wurde. Der Mann aus Ecuador ist robust und widerstandsfähig, aber kein Filigrantechniker. Zappavigna mag es ebenfalls, wenn der Kampf brutal und intensiv ist, und feuert normalerweise jede Runde viele Schläge ab. Allerdings ist er dank seiner Amateurkarriere, in der er einen Kampfrekord von 72-9 anhäufte, auch technisch nicht ganz unbeschlagen. Auf der anderen Seite besitzt Angulo eindeutig die größere Erfahrung der beiden.
Der Kampf verspricht zuschauerfreundlich zu werden. Beide werden vermutlich kaum einen Schritt zurück machen und versuchen den Gegner zu zermürben. Bei Zappavigna bleibt abzuwarten, wie er auf Probleme reagieren wird, aber grundsätzlich sehe ich ihn hier als leichten Favorit dank seiner boxerischen Überlegenheit. Doch schon manch talentierterer Boxer hat gegen weniger begabte Gegner verloren, wenn es im Endeffekt auf den Kampfgeist ankam. Ein Sieg von Angulo würde mich nicht völlig überraschen, aber ich gehe von einem knappen Punktsieg für den noch ungeschlagenen Australier aus.
Benjamin Antemann kann unter benjamin@boxen.de erreicht werden.