Am Freitagabend kommt es in Las Vegas zu einem interessanten Aufeinandertreffen zwischen einem hart punchenden Talent und einem eisenharten Veteran. In dem auf ESPN2 übertragenen Kampf will der ungeschlagene Federgewichtler Javier Fortuna seine bislang größte Hürde als Profi überspringen, wenn er auf Ex-Federgewichtsweltmeister Cristobal Cruz trifft.
Fortuna ist 22 Jahre alt und hat einen Kampfrekord von 19 Siegen in ebenso vielen Kämpfen, wobei 14 durch KO zustande kamen. Der Dominikaner wechselte 2009 nach einer guten Amateurkarriere auf nationaler Ebene ins Profilager, wo er bald mit seinem attraktivem Kampfstil von sich reden machte. Im letzten Jahr fuhr er dann auch schon zwei Siege ein, die ihm noch mehr Aufmerksamkeit brachten und ihn langsam in die Nähe eines Titelkampfes bringen. So ist er in drei der vier großen Verbände innerhalb der Top 10 gelistet, nachdem er Miguel Roman und Yaundale Evans besiegte. Den eisenharten Roman punktete Fortuna komfortabel aus, nachdem er ihn in der ersten Runde am Boden gehabt hatte, den zuvor ungeschlagenen und ebenfalls hoch gehandelten Evans schlug Fortuna gleich in der ersten Runde KO und setzte damit ein gehöriges Ausrufezeichen.
Der 35-jährige Mexikaner Cristobal Cruz hingegen ist bereits seit 1992 Profiboxer und hat eine Karriere mit deutlich mehr Höhen und Tiefen hinter sich. Nachdem er sich jahrelang auf nationalem und später internationalem Niveau herum geboxt hatte, wobei sich elf Niederlagen in seinem Kampfrekord angehäuft hatten, trat er erst 2008 wirklich in der Weltklasse auf. Er bekam gegen Orlando Salido die Chance den IBF-Titel im Federgewicht zu gewinnen, und ergriff diese direkt. Nach einem intensiven ausgeglichenen Kampf verließ Cruz den Ring als Sieger durch Split Decision. Dass dieser Sieg kein Ausrutscher war, bewies Cruz in der Folge, als er zuerst den Titel gegen den eher unbekannten Cyrill Thomas verteidigte und dann Jorge Solis bezwang, welcher zuvor nur gegen Manny Pacquiao verloren hatte. 2010 verlor er jedoch in einem Rückkampf seinen Titel an Orlando Salido, als er dieses Mal recht klar ausgepunktet wurde. Zuletzt versuchte sich Cruz ohne Glück im Superfedergewicht, wo er knapp gegen Juan Carlos Burgos verlor.
Cruz ist ein wahrer „Overachiever“, der kein all zu großes boxerisches Talent besitzt, aber mit viel harter Arbeit und unbrechbarem Willen mehr geschafft hat, als ihm wohl je jemand zugetraut hat. Er ist nicht besonders gut technisch ausgebildet, hat keine schnellen Hände und schlägt auch nicht besonders hart. Dafür legt er eine fantastische Workrate an den Tag und ist eigentlich in jedem Kampf aktiver als sein Gegner. Zudem übt er unermüdlichen Druck aus und geht stets nach vorne, unterstützt von seinem exzellenten Kinn. Seit zehn Jahren ist der 35-Jährige nicht mehr KO gegangen, obwohl er mit einigen sehr guten Punchern im Ring stand und keine überragende Deckung besitzt. Allerdings zeigte er zuletzt, dass das Alter und die vielen Ringschlachten ein wenig an ihm genagt haben könnten, da er seit vier Kämpfen ohne Sieg ist und in seinen letzten beiden Niederlagen am Boden war.
Auf der anderen Seite hat Javier Fortuna seine bisherigen Gegner geradezu überrannt mit seinen schnellen Händen und seiner starken Schlagkraft. Besonders früh im Kampf ist Fortuna extrem gefährlich, was auch die Statistik belegt. 13 seiner 14 KO-Siege sammelte er in den ersten zwei Runden. Manchmal wirkt der 22-jährige Rechtsausleger noch ein wenig wild und fast schon zu aggressiv, doch das macht ihn nur noch zuschauerfreundlicher.
Die letzten Kämpfe sprechen für Javier Fortuna. Während Cristobal Cruz nach Verlust seines Titels nachgelassen zu haben scheint und generell eher dem Ende seiner Karriere zu geht, glänzte Fortuna zuletzt und scheint eine viel versprechende Karriere vor sich zu haben. Cruz ist jedoch nie ein einfacher Gegner mit seiner enorm hohen Aktivität, seinen klasse Nehmerfähigkeiten und seinem physischen, teils auch unfairen Stil. Wenn es Fortuna als Schnellstarter nicht gelingt Cruz in den ersten beiden Runden KO zu schlagen, wozu ich ihn durchaus in der Lage sehe, könnten es anstrengende zehn Runden für ihn werden. Besonders hinten heraus erwarte ich dann, dass Cruz immer mehr aufkommen könnte. Anfangs werden Fortunas klare Schnelligkeitsvorteile und seine bessere Technik ausschlaggebend sein, doch in den hinteren Runden könnten die Kondition und Erfahrung von Cruz den Unterschied machen. Nichtsdestotrotz gehe ich davon aus, dass Javier Fortuna seinen bislang härtesten Test unbeschadet überstehen wird und am Ende einen einstimmigen Punktsieg einfahren wird, auch wenn er hinten heraus vielleicht ein paar Probleme bekommt.