Seit einer gefühlten Ewigkeit gilt Demetrius Andrade als großes Talent im Halbmittelgewicht, und nach 18 Profikämpfen ist sein Kampfrekord auch immer noch makellos. Doch am Samstag trifft er endlich mal wieder auf einen wahren Prüfstein, nachdem ihm zuletzt zu viel leichte Kost vorgesetzt worden war. Im New Yorker Ring wird ihm der mexikanische Veteran Freddy Hernandez gegenüber stehen und den Überraschungscoup planen.
Denn Andrade ist trotz seines guten Rufs weitestgehend ungetestet. Nachdem die olympischen Spiele 2008 für ihn enttäuschend verliefen und er keine Medaille ergattern konnte, wechselte er noch im selben Jahr ins Profilager, wo er vor allem einen Haufen unbekannte Gegner schlug. Im August 2011 schien sein Promoter ihm den nächsten Schritt zuzutrauen und steckte ihn mit dem unangenehmen Veteran Grady Brewer in den Ring. Andrade meisterte die Aufgabe und gewann seinen bis dato schwersten Kampf nach Punkten. Seitdem stellte sich bei ihm jedoch wider ein Rückschritt ein und Andrades letzten vier Gegner verdienten sich dann eher wieder das Prädikat Aufbaugegner, so dass Freddy Hernandez wohl mindestens als sein schwerster Gegner seit dem Brewer-Kampf gelten kann.
Freddy Hernandez ist am bekanntesten durch seine letzten beiden Niederlagen. Ende 2010 boxte er mit Andre Berto um den WBC-Titel im Weltergewicht, zeigte dabei aber nichts von seinem Können und ging gleich in der ersten Runde KO. Letzten Juni dann stand er mit Erislandy Lara im Ring und verlor nach Punkten. Der 33-jährige Mexikaner hat allerdings auch einige gute Siege im Kampfrekord stehen. So schlug er unter anderem Jesus Soto Karass, Carson Jones, DeMarcus Corley, Mike Anchondo und Luis Collazo, Anchondo und Corley sogar vorzeitig, wobei vor allem der KO gegen Ex-Halbweltergewichtsweltmeister Corley sehenswert war. Zuletzt stand Hernandez allerdings nur unregelmäßig im Ring und kam in den Jahren 2010, 2011 und 2012 jeweils nur auf einen Einsatz.
Hernandez ist ein athletischer Boxer mit relativ schnellen Händen und ordentlicher Schlagkraft, was auch seine 20 KOs in 30 Siegen attestieren. Zudem besitzt er überraschend lange Arme und hat somit oftmals Vorteile aus der Distanz. Er boxt allerdings nicht immer besonders klug und weiß seine Vorteile unbedingt umzusetzen. So gibt er zu oft seine Reichweitenvorteile auf indem er in seine Schläge hinein fällt und wirkt generell manchmal etwas ungestüm, zumal er auch klare defensive Schwächen besitzt.
Demetrius Andrade ist ebenfalls ein athletischer, langer Distanzboxer. Er besitzt wohl noch schnellere Hände als Freddy Hernandez und hat zudem gute Reflexe. Als ehemaliger Topamateur ist er technisch sehr gut ausgebildet und besitzt unter anderem einen hervorragenden rechten Jab. Mit 1,85 Metern ist er meistens einen Kopf größer als seine Gegner im Halbmittelgewicht, doch auch wenn er gegen Hernandez ebenfalls der Größere sein wird, wird er keinerlei Reichweitenvorteile besitzen.
Andrade geht als Favorit in den Kampf, da viele Leute einiges von ihm in seiner Karriere erwarten, doch Hernandez ist, wie gesagt, sein bisher vielleicht härtester Test. Aufgrund dessen langen Armen wird es Andrade schwerer als gewohnt haben den Kampf aus der Distanz heraus zu bestimmen. Der 24-jährige US-Amerikaner scheint mir jedoch besser darin zu sein das Tempo zu diktieren und hat zudem ein besseres Auge für Lücken und Öffnungen als sein mexikanischer Kontrahent.
Hernandez dürfte Andrade durchaus wohl ein paar Probleme bereiten, denke ich, vor allem gegen Beginn des Kampfes. Er ist als Profi erfahrener und hat die besseren Gegner geboxt, doch Demetrius Andrade scheint mir vielseitiger und anpassungsfähiger zu sein. Möglicherweise braucht er ein paar Runden um sich einzufinden, doch dann wird er meiner Meinung nach mit seinem cleveren Boxstil den Kampf diktieren und die Hürde Freddy Hernandez nach Punkten meistern.