Im Halbmittelgewicht kommt es am Samstagabend zum Aufeinandertreffen zwischen Alfredo Angulo und Joel Julio. Dabei verteidigt Angulo seinen Interimsgürtel der WBO, doch eigentlich geht es vielmehr darum sich als einer der Topleute der Gewichtsklasse zu etablieren. Dafür muss er Julio schlagen, der bisher eigentlich immer seine größeren Kämpfe verlor.
Der Kolumbianer Julio galt als viel versprechendes Talent, ehe er 2006 von Carlos Quintana überraschend seine erste Niederlage zugefügt bekam. Trotzdem schaffte er es im Jahr 2008 zu einem Titelkampf, den er allerdings gegen Sergiy Dzinziruk nach Punkten verlor. In seinem nächsten Kampf gab es dann gleich die nächste Niederlage. James Kirkland stoppte ihn in sechs Runden. Seitdem hat Julio einen sehr leichten Aufbaukampf bestritten, den er nach Punkten für sich entschied.
Angulo hingegen kommt frisch von einem der brutalsten KO-Siege des letzten Jahres. Im Kampf um den Interimstitel prügelte er Harry Joe Yorgey in der dritten Runde bewusstlos. Doch auch seine erste Niederlage musste Angulo letztes Jahr hinnehmen, als er von Kermit Cintron ausgeboxt wurde.
Nach dem Cintron-Kampf, in dem Angulo angeblich gesundheitliche Probleme hatte, scheint mir der Mexikaner noch einmal an Schlagkraft zugelegt zu haben. Die KO-Siege gegen Yorgey und Gabriel Rosado zeigten sehr gute One-Punch-Power, die mir in dieser Form zuvor nicht bei Angulo aufgefallen war. Trotzdem bleibt der Eindruck bestehen, dass ein mobiler Boxer, der dem etwas eindimensionalen Angulo 12 Runden lang aus dem Weg gehen kann, ihn recht problemlos ausboxen könnte. Selbst Gabriel Rosado war Angulo boxerisch überlegen, bis er sich eine harte Rechte einfing. Jedoch ist es natürlich deutlich schwerer einen Mann wie Angulo über 12 Runden auszuboxen als über ein, zwei Runden, wenn Angulo konstant hohen Druck ausübt.
Joel Julio hat schlechte Erfahrungen mit Boxern, die viel Druck machen. James Kirkland, der am Anfang ihrer beiden Karrieren oft mit Angulo verglichen wurde, ließ Julio ziemlich alt aussehen und zwang ihn schließlich nach sechs Runden dazu das Handtuch zu werfen. Dabei schien er der aggressiven Art des US-Amerikaners nicht gewachsen zu sein. Julio ist es gewohnt selber den aggressiven Part zu spielen und nach vorne zu gehen. Im Rückwärtsgang konnte er zwar einige gute Treffer landen, jedoch fehlten diesen die Power in der Rückwärtsbewegung.
Angulo sollte eine ähnliche Aufgabe für ihn bereithalten. Ähnlich wie Kirkland ist er nicht unbedingt schwer zu treffen, dafür aber schwer zu beeindrucken. Er schluckt, was immer der Gegner austeilt, nur um seine eigenen Schläge anzubringen. Julio muss sich vor allem gut bewegen um diesen Attacken zu entgehen. Dabei sollte er Konter setzen um Punkte zu holen und Runden zu gewinnen, nicht um Angulo irgendwann auszuknocken. Legt er sich in einer offenen Schlacht mit Angulo an, zieht er den Kürzeren. Er muss versuchen aus der Distanz zu boxen und Angulo nicht zu nahe an sich heran zu lassen.
Der mexikanische Weltmeister hingegen muss so boxen wie immer um Erfolg zu haben. Konstanter Druck und harte Schläge in der Halbdistanz dürften die übliche Strategie für ihn sein. Boxerisch ist Angulo nicht der Versierteste, doch er sollte versuchen noch etwas mehr den Jab zu benutzen um in Schlagdistanz zu gelangen und die Distanz gegen den reichweitenüberlegenen Julio effektiver zu überbrücken.
Es könnte ein sehr zuschauerfreundlicher Kampf werden, doch ich sehe, ehrlich gesagt, nur einen Sieger. Alfredo Angulo scheint mir genau das zu verkörpern, was Joel Julio bei seinen Gegnern nicht mag. Selbst wenn Angulo anfangs nicht viel Erfolg haben sollte, und Julio die besseren Treffer setzt, so wird mit Sicherheit der Punkt kommen, an dem Angulo entweder einen krachenden Volltreffer landet oder durch seinen Druck Julio so ermüdet, dass er seine Schläge besser unterbringen kann.
Ich würde es nicht ganz ausschließen, dass Julio dabei den Schlussgong mitbekommt, doch halte ich es für etwas wahrscheinlicher, dass es Angulo gelingt ihn so um die zehnte Runde herum zu stoppen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir mit 25 Jahren bereits das Beste Joel Julios gesehen haben, während Alfredo Angulo sich durchaus noch steigern kann, aber bereits im Moment ein Level über dem Kolumbianer rangiert.