Laszlo Papp: Dreifach-Olympiasieger und ungeschlagener Profi

Nach sechs Titelverteidigungen als Europameister im Mittelgewicht steht der dreifache Olympiasieger Laszlo Papp vor einem Kampf um die Weltmeisterschaft. Er ist als Profi ungeschlagen, und die Boxwelt wartet auf einen mitreißenden Kampf WM-Fight. Da erhält er vom ungarischen Verband die Nachricht, dass er nach Ungarn zurückkehren  und vom Profiboxen zurücktreten solle. Laszlo ist am Boden zerstört, aber er gehorcht, denn im damals sozialistischen Ungarn lebt seine Familie, und er will sie nicht in Gefahr bringen.

So wächst er auf – und so kommt er zum Boxsport

Laszlo Papp, der am 25. März 1926 in der ungarischen Hauptstadt Budapest geboren wird, kommt aus einem sehr einfachen Elternhaus. Der Vater, der als Fahrer eines Druckereibetriebes arbeitet, stirbt schon früh. Seine Mutter führt einen winzigen Lebensmittelkrämerladen und hat Mühe, die Familie, die außer Laszlo seine jüngere Schwester umfasst, zu ernähren. Laszlo beteiligt sich früh an den Familieneinkünften; er arbeitet unter anderem im Tennisclub als Gehilfe oder bietet sich als Hundebegleiter für reichere Familien an. Berichtet wird, dass er sich auch als Friseurgehilfe versucht, da aber ziemlich schnell scheitert, weil er einer älteren Dame die Frisur komplett vernichtet.  Er will Arzt werden, aber  die finanziellen Mittel hierfür sind nicht vorhanden. Stattdessen beginnt er eine Ausbildung in einem Unternehmen für optische Geräte.

Sportlich betätigt sich der junge Papp in dieser Zeit in einem Budapester Fußballclub. Der Fußball bleibt bis zur Mitte der 1940er Jahre seine Leidenschaft. Mehr durch Zufall besucht er mit Freunden eine Trainingseinheit des ansässigen Boxclubs und entdeckt, dass ihm das Boxen liegt. Im Herbst des Jahres 1944, der Weltkrieg geht in die Endphase, sieht man ihn bei einem Turnier für jugendliche Boxer. In seinem ersten Amateurkampf siegt er durch Knockout in der ersten Runde. Dann ruht wegen der Kriegsereignisse der Boxbetrieb.

Laszlos erste Amateurkämpfe – und sein Trainer

Als der Weltkrieg vorbei ist, nimmt er das Boxtraining wieder auf. Und trifft mit einem Trainer zusammen, der ihn in seiner gesamten Laufbahn begleiten wird. Es ist Sigi Adler, ein Boxexperte, der schon damals weit über Ungarn hinaus einen hohen Bekanntheitsgrad genießt. Adler hat in seiner Arbeit  neben Laszlo Papp eine nicht geringe Zahl weiterer  Boxer groß gemacht. 1901 geboren,  war er als Aktiver ein eher durchschnittlich erfolgreicher Amateur. Mitte der 1920er Jahre holte er sich den ungarischen Meistertitel im Fliegengewicht. Er war sich bald sicher, dass er eher als Trainer im Boxbetrieb arbeiten sollte. Es dauerte nicht lange, bis Sigi Adler zum Cheftrainer der ungarischen Nationalstaffel avancierte. Ihm wurde es unter anderem zugeschrieben, dass sich die ungarischen Boxer bei den Europameisterschaften 1930  in Budapest  in sensationeller Weise drei Titel holten. Weil er Jude war und sich die Ungarn zu Deutschlands Verbündeten zählten, trat Adler als Nationaltrainer zurück. Nach dem Ende des Krieges holte man ihn schnell wieder zurück, und er blieb lange Zeit ungarischer Cheftrainer. 

Papp  gegenüber ist der mittlerweile berühmte Trainer  zunächst eher skeptisch und  zweifelt, ob der nur 1,67 m große Mittelgewichtler eine Chance im Amateurbetrieb haben wird. Diese Skepsis verschwindet  aber sehr schnell, als er feststellt, welches  gewaltige Potenzial im jungen Laszlo vorhanden ist. Über zwanzig Jahre ist Adler der ständige Wegbegleiter des Laszlo Papp. Auch als er Profi wird, bleibt er sein Freund und Trainer. Wenn Sigi Adler, z.B. aus Krankheitsgründen, nicht in der Ringecke Laszlos wartet, hat er es schwerer, so wird berichtet, den Kampf erfolgreich zu bestehen.  Als er sich vor einer Amateur-Europameisterschaft mit einigen Spitzenfunktionären des ungarischen Boxverbandes offen streitet, wird er von den Wettkämpfen ausgeschlossen. Sigi Adlers Reaktion: Er bleibt ebenfalls, und das als Cheftrainer, den Wettkämpfen fern.

Der Dreifach-Olympiasieger

Bei den Olympischen Spielen 1948 in London holt Laszlo  im Mittelgewicht Gold durch Knockouts  gegen Valfrid  Resko aus Finnland, gegen den Luxemburger Jean Welter und den Belgier Auguste Cavignac. Im Halbfinale schlägt er einstimmig nach Punkten Ivano Fontana aus Italien, der später in Italien Profi wird und sich 1955 den italienischen Halbschwergewichtstitel erkämpft.  Im Finale des  Mittelgewichts des  olympischen Turniers siegt Laszlo ebenfalls einstimmig über den Briten John Wright.

Beim olympischen Boxturnier der Spiele von Helsinki 1952 siegt er im Finale des Halbmittelgewichts gegen den Südafrikaner Theunis Jakubus van Schalkwyk, den amtierenden britischen Empiremeister. In den Vorrunden hatte er Spider Webb aus den USA und den Kanadier Charlie Chase durch Knockouts bezwungen. Dann besiegte er klar nach Punkten den Bulgaren Petar Stankoff Spassow und im Halbfinale Eladio Oscar Herrera aus Argentinien ebenso einstimmig nach Punkten.

Laszlos Weg bei den vier Jahre später im australischen Melbourne stattfindenden Spielen ist noch eindrucksvoller, weil zwei seiner Gegner in der Vorrunde und im Finale bekannte Boxgrößen sind bzw. wurden.  Nach einem KO-Sieg in der Vorrunde über den Argentinier Alberto Saenz  stößt er im Halbfinale des Halbmittelgewichts  auf den Polen Zbigniew  Pietrzykowski, dem er wenige Monate zuvor unterlegen gewesen war. Papp war erkrankt, und von den Medien wurde ihm nahegelegt, mit dem Boxsport aufzuhören. Er dachte nicht daran, genas, trainierte hart und schlägt bei den Spielen den Polen deutlich, obwohl der ihm einen großen Kampf liefert. Pietrzykowski sieht man 1960 im Finalkampf des Halbschwergewichts der Spiele in Rom gegen Cassius Clay, und er gestaltet den Kampf fast ausgeglichen. Nur mit Mühe siegt der spätere „Größte“. Ali hat später auf die Frage eines Boxjournalisten, wer für ihn der stärkste Gegner als Amateur gewesen sei, „ohne zu zögern“ geantwortet, das sei Piertrzykowski gewesen. Der Pole wird viermaliger Europameister im Halbmittel- bzw. Mittelgewicht sowie im Halbschwergewicht und holt Bronze bei den Europäischen Titelkämpfen 1953 in Warschau.  Bei den Olympischen Spielen in Tokio 1964 gelingt es ihm, noch einmal eine Bronzemedaille im Halbschwergewicht zu holen.

Sein Finalgegner in Melbourne ist José Torres, ein Mittelgewichtler, der in der Boxschule des berühmten Custer D’Amato geformt wurde und der später vom quasi Analphabeten zum erfolgreichen Sportjournalisten aufsteigen sollte. Seine von ihm verfassten Biographien zu Muhammad Ali und Tyson wurden Verkaufsschlager. Als Halbschwergewichtler ist er bei den Profis Weltmeister geworden. Im Finalkampf bei den Olympischen Spielen in Melbourne liefert er Papp einen beherzten und zunächst unentschiedenen Kampf, kann aber die dritte Goldmedaille Laszlo Papps letztlich nicht verhindern.

Mit dem Gewinn des dritten Gold bei Olympischen Spielen hat sich Laszlo Papp ein Denkmal gesetzt: Er ist der erste Boxer, der bei Olympischen Spielen dreimal eine Goldmedaille holt. Darüber hinaus wird er zweifacher Europameister, nämlich 1949 in Oslo im Mittelgewicht sowie 1951 in Milan im Halbmittelgewicht. Von insgesamt  312 Amateurkämpfen konnte er 301 siegreich beenden, und 55 Kämpfe beendete er durch Knockout in der ersten Runde. Eine Amateurlaufbahn, die Ihresgleichen sucht.

Papp als Profi

Ein Jahr nach dem Olympischen Spielen von Melbourne wird Laszlo Profi. In dieser Zeit ist es in den sozialistischen Ländern, und dazu gehört Ungarn damals,  fast unmöglich, Profi zu werden. Aber er erhält eine Ausnahmegenehmigung, darf aber sein vorbereitendes Training und natürlich auch die Profikämpfe nicht in Ungarn austragen. Er sucht sich Wien als Trainingszentrum und hauptsächlichen  Kampfort aus, später auch Paris. Manager ist Max Stadtländer, ein in Köln geborener Juwelenkaufmann jüdischen Glaubens. Trainer blieb auch im Profibereich Sigi Adler, der ihn bis zum Ende seiner Karriere begleiten wird.

Debüt als Profi am 18. Mai 1957: Im Eisstadion zu Köln schlägt er den Oberhausener Mittelgewichtler Alois Brand deutlich nach vier Runden. Es folgen sechs Siege, zwei davon durch Knockout. Gegen den starken Franzosen Germinal Ballarin, ursprünglich ein Halbschwergewichtler, kann er Mitte April 1959 in Paris nur ein Unentschieden herausholen. Aber im Grunde ist es ein Sieg, denn Laszlo hatte sich in der dritten Runde einen Bruch seiner rechten Hand zugezogen. Dennoch kämpft er weiter – und gestaltet den Kampf zumindest ausgeglichen. Dabei helfen ihm sein gutes Auge, seine Schnelligkeit und die Fähigkeit, kommende Schläge zu „erahnen“ und  auszuweichen.

Die drei Kämpfe gegen Peter Müller – und der Europatitel

Am 10. September 1961 tritt er zum ersten Kampf gegen den erfahrenen Kölner Peter Müller, der zu diesem Zeitpunkt bereits  weiter über hundert Kämpfe als Profi hinter sich hat. Müller hat gegen den Ungarn keine Chance. In der achten  des auf zehn Runden angesetzten Kampfes in der Kölner Eishalle kommt für den „Aap“ das Aus. Bereits einen Monat später kommt es in Wien, in der Wahlheimat Laszlos,  zum zweiten Aufeinandertreffen. Dieses Mal  siegt Papp in der vierten Runde durch TKO, nachdem er Müller mehrfach am Boden hat.    

Am 16. Mai 1962 fordert Papp den amtierenden Europameister, den Dänen Chris Christensen, heraus. In der siebten Runde werfen die Betreuer des alten Europameisters das Handtuch. Papp ist neuer Europameister im Mittelgewicht. Eineinhalb Jahre später kommt es zum dritten Duell mit Peter Müller. Für Papp geht es um die Verteidigung seines Titels. In der Dortmunder Westfalenhalle lässt er dem Kölner wieder keine Chance. In der vierten Runde ist Müller geschlagen, all sein Angriffsgeist zerschellt an der boxerischen Klasse des Ungarn.

Bis ins Jahr 1964 verteidigt er sechs Mal erfolgreich seinen europäischen Mittelgewichtstitel, darunter auch in einem Refight gegen Christian Christensen (KO in der vierten Runde).  Zu einem  Kampf um die Mittelgewichtsweltmeisterschaft ist es aber nie gekommen, weil die ungarischen Offiziellen es ihm nicht mehr erlauben, weiter seiner Profilaufbahn nachzugehen. Die „sozialistischen Prinzipien“ sprächen gegen eine Laufbahn als Berufsboxer, argumentierten die offiziellen Sportgewaltigen Ungarns.  Dass er nicht im Westen bleibt und den Entscheidungen der ungarischen Sportbehörden folgt, liegt daran, dass er seine Familie, die im sozialistischen Ungarn lebte, nicht gefährden will. In seinem letzten Kampf schlägt er den Briten Mick Leahy nach fünfzehn Runden klar nach Punkten. Der Sieg hätte ihm die Chance um einen WM-Kampf im Mittelgewicht eröffnet.

Nach der Boxkarriere

In den Jahren 1969 bis 1992 war Laszlo Papp Cheftrainer der Nationalstaffel Ungarns und hatte maßgeblichen Anteil am Olympiasieg des Halbfliegengewichtlers György Gedo, der bei den Spielen 1972 in München Gold holt. Nach seiner Entlassung als Trainer war er am Aufbau eines Boxzentrums in der ungarischen Hauptstadt beteiligt. Am 16. Oktober 2003 verstirbt er in Budapest im Alter von 77 Jahren.  

Würdigung

„Lazi“, wie er von seinen Fans gerufen wurde, war ein Boxer, der als Rechtsausleger sowohl mit seiner rechten Führhand als auch mit seiner linken „Schlaghand“ Kämpfe entscheiden konnte. Bezeichnend war, dass er mehr vorzeitige Siege durch seine rechte Führhand als mit der Linken einfuhr. Seine Spezialität war der Haken, den er mit beiden Händen kampfentscheidend einzusetzen wusste. Bekannt ist darüber hinaus sein gutes Auge, das Schwächen des Gegners schnell erfasste und ihn entsprechend reagieren ließ. Dieses Auge half ihm aber auch, Treffer zu vermeiden, so dass er selten hart erwischt wurde. Bis in seine letzten Tage als Boxer sah man ihm nicht an, dass er zwanzig Jahre im Boxsport aktiv war.

Durch die politischen Umstände konnte er als Profi nicht um die Weltmeisterschaft im Mittelgewicht boxen.  Dass er gegen die in dieser Zeit im Weltmaßstab herrschenden Mittelgewichtler, wie z.B. Dick Tiger oder Joey Giardello, seine Chancen gehabt hätte, ist unbestritten. Die Wahrnehmung dieser Chancen ist ihm wegen der herrschenden sozialistischen Ideologie im damaligen Ungarn verwehrt. geblieben. Dennoch bleibt er nicht nur wegen seiner drei Goldmedaillen bei Olympischen Spielen  einer der größten Mittelgewichtler der Boxgeschichte.  Dass er auch als Trainer erfolgreich agierte, komplettiert das Bild Laszlos. In Ungarn hat er bis heute einen Beliebtheitsgrad, den in Deutschland nur ein Max Schmeling erreichen konnte.

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